Auf der Kreistagsklausur am heutigen Samstag, dem 19. September, waren seltsame Dinge zu beobachten.
Die Klausur fand im Campus Rheinfelden statt (der Saal im Landratsamt ist ja angeblich für die nötigen „Corona-Abstände“ zu klein). Im großen Saal waren die Stühle fein säuberlich mit großem Abstand verteilt, trotzdem sollte man auf dem Weg dorthin eine Maske (Mund-Nasen-Bedeckung MNB) aufsetzen. Vor dem Saal gab es Kaffee, Brezeln, Getränke, Obst und in der Mittagspause einen Mittagsimbis.

Die Kollegen Kreistagsabgeordete setzten sich also die MNB auf, bevor sie das Gebäude betreten, um dann in den Vorraum zu gehen, sich in die Listen einzutragen und sich einen Kaffe zu holen. Dann stellen sie sich um einen der Stehtische – natürlich ohne MNB – um Kaffee zu trinken und zu essen. Oft stehen vier Personen um einen kleinen Stehtisch mit einem Meter Durchmesser. Und natürlich wurde einfrig diskutierte und die Köpfe zusammengesteckt. Auch mal länger als fünf Minuten.
Die gleichen Kollegen Kreistagsabgeordnete schauen mich seltsam an, wenn ich ohne MNB herumlaufe, sobald ich aber eine Flasche zu trinken, eine Schale Kürbissuppe oder einen gefüllten Teller in der Hand habe, ist das kein Problem mehr.
Ohne Ess- und Trinkbares in der Hand versuche sie, zu mir den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten, sobald wir beide aber etwas Ess- oder Trinkbares in der Hand haben, können wir uns ruhig und normal unterhalten und auch so zusammen stehen dass man nicht schreien muss. Ganz normal also.
Es kann also daraus geschlossen werden, dass die Kollegen Kreistagsabgeordnete annehmen, dass das Virus menschliche Nahrung nicht mag und vor ihr flüchtet und sie deshalb vor diesem Virus geschützt sind, wenn sie etwas ess- oder trinkbares in der Hand haben – sei es ein Kaffe, eine Suppe oder eine Brezel.
Beim Essen ist es ähnlich. Die Suppe wird noch normal aus einer Warmhaltebehälter geschöpft, das Baguette dazu ist aber in Papiertüten verpackt. Nicht das ganze Baguette, sondern jede Scheibe einzeln. Es gibt fertig angerichtete Teller, einzeln verpackt in Frischhaltefolie. Die Mitarbeiterin des Catering-Dienstes sagte, dies wäre ein Wunsch des Veranstalters gewesen. Im Landratsamt wissen sie also offensichtlich noch nicht, dass das Virus keine menschliche Nahrung mag, sondern vor ihr flüchtet.
Etwas später setzten sich diese gleichen Personen, die gerade zusammen an einem Stehtisch eifrig ohne MNB diskutiert, gelacht, gegessen und getrunken haben, wieder die MNB auf, um in den Saal zu gehen und über die an der Wand hängenden Plakate zu diskutieren. Die gleichen Personen, die gerade eng an einem Stehtisch gestanden und ganz normal diskutiert haben, (sie waren ja durch das auf dem Tisch stehende Essen und Trinken vor dem Virus geschützt), achten nun streng darauf, dass auch wirklich jeder eine MNB anzieht. Nur die eingeladenen Gäste aus der Schweiz nehmen das etwas lockerer, mit denen kann man auch im Saal ohne MNB diskutieren – das ist übrigens wesentlich angenehmer, da man die Emotionen seines Gegenübers wahrnehmen kann.
Noch etwas zu den MNBs. Für den Fall, dass jemand seine MNB vergessen hat, liegen einige Packungen MNBs geöffnet und ungeschützt auf einem Tisch vor dem Eingang zum Saal. Standardware, Made in China. MNBs sind Produkte, die die Gesundheit schützen sollen, sie müssen also als Medizinprodukt eingestuft werden. Medizinprodukte unterliegen strengen Zulassungsbestimmungen, die die Behörden – also das Gesundheitsamt als Abteilung des Landratsamtes – streng kontrollieren müssen. Woher wissen wir, aus welchem Material diese Lappen gefertigt sind, durch die wir die Luft dann mühsam in unsere Lungen einsaugen? Woher wissen wir, dass keine giftigen oder schädlichen Kunststofffasern versendet wurden, die vielliecht sogar Partikel absondern, die sich in den Lungen festsetzen? So etwas wird also vom Landratsamt für die Kollegen Kreistagsabgeodnete verteilt. Die meisten von ihnen tragen solche Standard-MNBs.
Später, in der darauffolgenden Gruppenarbeit, sitzen wir in einem Raum mit weit geöffneten Fenstern in einem lockeren Stuhlkreis. Ich habe meinen Stuh extra noch weiter nach hinten geschoben, um zu beiden Nachbarn einen Abstand von ca. 1,5 Metern einhalten zu können. Niemand beschwert sich, niemand sagt etwas. Es wird zwar gebeten, eine MNB zu tragen, da es kein Hygienekonzept gäbe, aber ich habe ja genügend Abstand und ein geöffnetes Fenster neben mir.
Nach etwa 20 Minuten kommt unsere Landrätin in den Raum und – als sie mich als Einziger ohne MNB sitzen sieht, fragt sie mich, warum ich keinen MNB trage. Ich verweise auf die geöffneten Fenster und den ausreichenden Abstand. Sie besteht auf den MNB. Jemand sagt etwas vom Hausrecht der Landrätin. Ich sage deutlich, dass ich das sehr albern finde, was hier veranstaltet wird, und verlasse die Veranstaltung vorzeitig.
Unsere Landrätin ist Juristin. Sie sollte eigentlich die Corona-Verordnung des Landes kenne. Dort ist geregelt, wann eine MNB zu tragen ist. Kreistagssitzungen und Klausurtagungen von Kreistagen gehören nicht dazu. Und in Bezug auf Veranstaltungen heisst es in § 10 Abs. 4 Coronaverordnung: „Absätze 1 bis 3 (in denen u.a. die Erstellung eines Hygienekonzeptes gefordert wird) finden keine Anwendung auf Veranstaltungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Rechtspflege oder der Daseinsfürsorge oder -vorsorge zu dienen bestimmt sind, insbesondere auf Veranstaltungen und Sitzungen der Organe, Organteile und sonstigen Gremien der Legislative, Judikative und Exekutive sowie Einrichtungen der Selbstverwaltung einschließlich von Erörterungsterminen und mündlichen Verhandlungen im Zuge von Planfeststellungsverfahren.“ Eine Klausurtagung des Kreistages ist eine Veranstaltung eines Organs der kommunalen Selbstverwaltung, auf der über die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, der Fahrrad- und Bahninfrastruktur etc. diskutiert wird, sie dient eindeutig der Daseinsfür- und vorsorge, hier ist also die Erstellung eines Hygienekonzeptes nicht notwendig.
Die auf diesen Vorfall folgende Korrespondenz können Sie hier nachlesen.
Zum ernsten Hintergrund des Tragens von MNB und warum das mehr ist als ein Ritual, siehe auch das vorletzte Kapitel in „Die Irrationale der Angst„.

Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung einer Klausurtagung des Kreistages. Der vorauseilende Gehorsam und die vollkommen hirnrissigen Hygienemaßnahmen lassen daran zweifeln, dass, wenn schon anfangs der gesunde Menschenverstand aussetzt, mit großer Wahrscheinlichkeit auch am Ende nichts Wertsteigerndes herauskommt. Frei nach Helmut Kohl „Entscheidend ist, was hinten rauskommt…“. Schade nur, dass dies alles von unseren Steuergeldern bezahlt werden muss.