Meine „Haushaltsrede“ zum Kreishaushalt 2023

Als fraktionsloses Kreistagsmitglied werde ich ja nicht durch die Fraktionsvorsitzenden, die vor mir ihre Haushalstreden gehalten haben, vertreten. Deshalb habe ich die Freiheit, eine eigene Rede zum Haushalt zu halten und in diesem Falle meine Enthaltung zu begründen.

Hier die Rede im Wortlaut mit einigen Links:

Sehr geehrte Frau Dammann
Sehr geehrte Mitarbeiter der Verwaltung und der Medien
Sehr geehrte Kreistagskollegen und Gäste

Ich möchte weniger auf die Zahlenkolonnen eingehen, die meine Vorredner schon ausgiebig strapaziert haben, sondern der Haushaltsdebatte eine etwas grundsätzlichere Betrachtung hinzufügen.

Als 2013 der Prognos Zukunftsatlas erschien, titelte die Badische Zeitung „Beste Aussichten für die Zukunft“ und „Aufstrebende Region: Der Zukunftsatlas attestiert dem Kreis Lörrach „Hohe Zukunftschancen“.“

Da war der Kreis Lörrach auf Platz 50 von 400, die beste Platzierung war im Feld Wettbewerb & Innovation auf Patz 14, die schlechteste im Feld Wohlstand & soziale Lage mit Platz 136.

2016 hieß esFast so innovativ wie die Unistadt Ulm“ und „Im neuen Zukunftsatlas fällt der Kreis Lörrach zwar etwas zurück, ist aber viel besser rangiert als die Nachbarn.

Da war der Kreis Lörrach auf Platz 74, die beste Platzierung war wieder im Feld Wettbewerb & Innovation mit Platz 43, die schlechteste im Feld Demographie mit Platz 194.

Lörrach war also in allen Feldern immer noch in der besseren Hälfte aller bundesdeutschen Land- und Stadtkreise.

2019 war der Titel: „Lörrach sackt im Vergleich der Landkreise massiv ab – das ist aber nicht so schlimm“. Da entdeckt man auf einmal die Nähe zur Schweiz, die das Bild „leicht verzerren würde“.

2019 lag der Kreis Lörrach auf Platz 168, die beste Bewertung war im Feld „Wohlstand & Soziale Lage“ mit Platz 83, die schlechteste im Feld Dynamik mit Platz 384.

Der Prognos-Zukunftsatlas für 2022 wurde vor etwa 2 Monaten veröffentlicht. Die lokalen Medien haben ihn diesmal ignoriert, denn das Ergebnis fällt – um es euphemistisch auszudrücken – ernüchternd aus, man könnte auch sagen katastrophal.

Der Kreis Lörrach steht auf Platz 232 von 400, die beste Bewertung ist der Bereich „Stärke“ mit Platz 152, im für die zukünftige Entwicklung wichtigen Feld Dynamik sind wir auf Platz 400 von 400, haben also bundesweit die rote Laterne bekommen.

Und was machen wir daraus?

Wir machen weiter „Business as usual” und konzentrieren uns auf die besonders folgsame Umsetzung ideologischer Vorgaben. Statt in Dynamik und Zukunft investieren wir in einen Krankenhausneubau und einen zweiten Standort des Landratsamtes, die weder für Dynamik noch für Zukunft sorgen, und kümmern uns um ideologische Spielzeuge wie den Energy Award.

Bei der Ausgangslage des Landkreises, im Herzen einer dynamischen europäischen Region, mit bester Infrastrukturanbindung mit Schiff, Bahn, Auto und Flugzeug, muss man sich schon sehr anstrengen um so schnell die Bewertungsleiter herunterzuklettern. Aber das haben wir geschafft.

Es scheint so, als ob der Bau des Zentralklinikums die Verwaltungen gelähmt hat. In der Stadt Lörrach war das sehr deutlich festzustellen, aber auch im Landkreis war es zu spüren.

Es gab viele warnende Stimmen vor dem Bauentscheid des Klinikums und es besteht jetzt die konkrete Gefahr, dass das Lörracher Klinikum das Schicksal des Offenbacher Klinikums teilen wird, das vor 7 Jahren – kurz nach der Fertigstellung des Neubaus für damals 400 Mio € – für einen symbolischen € an einen privaten Betreiber verkauft wurde.

Das neue Zentralklinikum steht auf einer Fläche, auf der auch ein großer mittelständischer Betrieb seinen Hauptsitz gerne gegründet hätte. Aber das ist kalter Kaffee, das können wir nicht mehr ändern.

Was wir ändern könnten wäre, alles in Bewegung zu setzen um endlich wieder für wirtschaftliche und soziale Dynamik und Innovation im Landkreis zu sorgen.

Nur als Beispiel: Die Stadt Lörrach leistet sich mit dem KBC Gelände eine riesige tote Gewerbefläche mitten in der Stadt, sie ist offensichtlich überfordert, hier für Dynamik zu sorgen.

Aber auch in den anderen Kommunen des Landkreises gab es in den letzten Jahren keine Investitionen mehr, die für wirtschaftliche Dynamik und Innovationen gesorgt hätten. Dass die jeweilige Kassenlage so ist wie sie ist, hat also nicht nur mit dem Krieg in der Ukraine oder Corona zu tun, sondern sie ist vor allem hausgemacht.

Erschreckend ist, dass offensichtlich niemand den Knall gehört hat. Schlimmer noch, man will ihn offensichtlich nicht hören. Die regionalen Medien haben ja wohl nicht versehentlich nicht über den Zukunftsatlas 2022 berichtet, denn in den Jahren davor waren es jeweils ausführliche Artikel. Man könnte sich Gedanken darüber machen, warum nicht berichtet wurde ….

Diese Ignoranz der Wirklichkeit und die ideologische Fixierung zeigt sich symptomatisch besonders an dem Einsatz von batteriebetriebenen SUVs im Forst, auf den ich ja schon eingegangen bin.

(Diesen Beitrag habe ich während der Behandlung des Themas vorgebracht:

Neun batteriebetriebene SUVs im Wert von jeweils 60.000 € mit jeweils mehr als 2 Tonnen Leergewicht sollen jetzt durch unsere Wälder pflügen. Für den Preis eines solchen Ideologie-Boliden, dessen gesamte Konstruktion jeglicher Vernunft widerspricht, gäbe es drei bewährte Dacia Duster mit besserer Geländegängigkeit, 2/3 des Gewichts und einem sparsamen Diesel, der weniger als 5 Liter auf 100 km verbraucht. Wenn man einen kW-Preis von 40 Cent und einen Dieselpreis von 2 € zugrunde legt, müssten diese Boliden mehr als 1 Millionen Kilometer fahren nur um den Anschaffungs-Mehrpreis wieder einzusparen. 

Sicher ist diese ideologische Investition gering im Vergleich zu dem Gesamthaushalt, aber sie ist symptomatisch und im Vergleich zu den frei verfügbaren Mitteln auch nicht mehr ganz vernachlässigbar. Wenn dieses Geld in Zukunft investiert würde, beispielsweise in eine bessere Ausstattung der Schulen, hätte das eine Hebelwirkung. So demonstriert dieser Beschluss nur, dass der Landkreis Lörrach ein ideologischer Musterschüler sein will.)

(Auch den folgenden Abschnitt meiner Rede hatte ich schon vorher bei der Behandlung des TO-Punktes gebracht:

Die Zielsetzung des Krisendienstes Auffällige Flüchtlinge. Auch hier wird nicht hingeschaut. Es handelt sich hier um Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive. Fast die Hälfte der betroffenen jungen Männer kommen aus Gambia. In Gambia gab es 2016 einen Regierungswechsel, der jetzige Präsident ist ein aus Deutschland zurückgekehrter Armutsflüchtling. In der Begründung der Maßnahme steht: Ziel ist es, den auffälligen Geflüchteten Perspektiven aufzuzeigen und ihre Integrationsfähigkeit in der BRD zu erhöhen. Wäre es nicht wesentlich zielführender, ihre Integrationsfähigkeit in ihrem Heimatland zu erhöhen, das von einem Präsidenten geführt wird der das gleiche Schicksal teilt wie sie?)

Ein weiteres Beispiel für Ideologie und Realitätsferne: Die Vorlage für die Intensivierung der Hygienekontrollen. Die Verantwortlichen haben immer noch nicht verstanden, dass die sog. Pandemie keine Pandemie war, sondern eine Art Grippe-Ersatz, über den ein riesiger Hype veranstaltet wurde, und dass sie nun endgültig vorbei ist. Aber auch hier will man sich als Musterschüler präsentieren und die Bevölkerung weiterhin drangsalieren. Dass diese Vorlage von den Kollegen im Verwaltungsausschuss zumindest vorläufig gestoppt wurde, ist ein gutes Zeichen.

Und dass wir heute hier in Schopfheim tagen statt im Sitzungssaal in Lörrach und dann noch dieses Lüftungstheater veranstalten, ist ebenfalls ein Zeichen von Realitätsferne. Der Kreistag Waldshut tagt schon wieder im Sitzungssaal des Landratsamtes.

Unser Landkreis ist auch noch in einem weiteren Bereich Schlusslicht: Bei den messbaren Effekten des Netzausbaus auf die Wirtschafts- und Innovationsstärke, der im Innovationsindex 2022 untersucht wurde. Wir investieren also in Digitalisierung, aber es hat keine Wirkung, Prognos bescheinigt dem Landkreis, dass der messbare Effekt des Netzausbaus im Landkreis am geringsten ist, und er ist auch „am geringsten“ in allen Teilbereichen Wirtschaftsstärke, qualifizierte Arbeitsplätze und innovative Ideen und Produkte.

Was können wir tun? Wir können so weitermachen und als ideologischer Musterschüler Energiesparen, Elektromobilität, Klimaschutz, Hygienekontrollen etc. perfektionieren und stolz darauf sein, einen Energy Award in Silber zu erhalten.

Oder wir können uns darauf konzentrieren, wirtschaftliche Dynamik und innovative Ideen, Produkte und qualifizierte Arbeitsplätze zu fördern, so dass wir beim Zukunftsatlas 2025 zumindest wieder in der besseren Hälfte aller bundesdeutschen Kreise landen. Noch gibt es im Landkreis Lörrach die wirtschaftliche Stärke, die es uns erlauben würde diese Investitionen in die Zukunft zu tätigen. 

Wir haben jetzt 44 neue Stellen beschlossen. Keine davon hat etwas mit Zukunft, Innovation oder Dynamik zu tun.

Lörrach kann nicht die Welt retten, wir sind verantwortlich für die Menschen die hier Leben und die auch hier innovative, gut bezahlte und zukunftsträchtige Arbeitsplätze finden wollen, auch ohne täglich in die Schweiz zu pendeln, und wir sind verantwortlich dafür ein Umfeld zu bieten, dass innovative, zukunftsorientierte und vor allem gewerbesteuerzahlende Unternehmen fördert.

In diesem Sinne bitte ich um Verständnis, dass ich diesem Haushalt nicht zustimmen kann.

Ende der Rede

Hier noch die Platzierungen des Landkreises Lörrach im Prognos Zukunftsatlas, der ja alle 3 Jahre erstellt wird. Es gibt (2022) 400 Stadt- und Landkreise in Deutschland, die Tabelle zeigt das Ranking im Vergleich zu den anderen Stadt- und Landkreisen an:

3 Antworten auf „Meine „Haushaltsrede“ zum Kreishaushalt 2023“

  1. Lieber Dietmar,
    Gratulation zu Deiner Rede im Kreistagskollegium.

    Fakten aufzeigen und Mängel benennen, so etwas wird in anderen Kreisen eher weniger praktiziert, sondern eher gelobhudelt und die Fakten beschönigt.
    Menschen die sich für die Dinge im Kreis im positiven Sinne (Kosten und Nutzen) einsetzen haben meinen und den der Bevölkerung verdient.
    Daher danke ich Dir für diese Rede, auch wenn Sie wie Du schreibst bei der Landrätin nicht wirklich angekommen ist.

    Ein schönes Wochenende wünscht Dir
    Ulrich Behrend aus Stuttgart

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