Zur Geschichte der Klinikplanung

Es ist ja nicht so, dass die Ignoranz von Fakten erst seit der sog. „Corona-Pandemie“ im Landratsamt Lörrach zu Hause ist.

Als 2017 im Kreistag der autistische Entscheid für den Neubau eines Klinikums gefällt wurde, wurde damit die Grundlage zur jetzigen katastrophalen Haushaltssituation des Landkreises gelegt. „Autistisch“ deshalb, weil kein Kontakt mit dem Nachbarlandkreis Waldshut aufgenommen wurde, der vor der gleichen Problematik stand.

Am 26.1.2017 – ich war damals noch Mitglied im Kreisvorstand der Grünen Lörrach, aber nicht Mitglied im Kreistag – schrieb ich an Manne Lucha, auch damals schon zuständiger Minister, den folgenden Brief (Namen wurden hier aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgekürzt):

Betr.: Klinik-Neubauten / Klinik-Konzeptionen in dem Landkreisen Lörrach und Waldshut

Lieber Manne Lucha

Wir kennen uns vom Parteitag in Reutlingen, ich bin ehemaliger Kreisrat in Lörrach und in der Gesundheitspolitik engagiert. Daher verfolge ich die Entwicklungen der Krankenhauslandschaft in den Landkreisen Lörrach und Waldshut mit Sorge.

Während in Lörrach mit einem engagierten Geschäftsführer von der Kreisverwaltung ein Zentralklinikum und die ersatzlose Schließung der vier Krankenhausstandorte energisch vorangetrieben werden, herrscht im Landkreis Waldshut Chaos. Du hast Dich ja selbst dazu geäußert.

Aber auch der Lörracher Weg ist problematisch. Nicht nur werden die Wege für Patienten sehr lang, wenn nur noch ein einziges zentrales Klinikum besteht, es werden auch hohe Millionenwerte vernichtet und ein riesiger „ökologischer Fußabdruck“ produziert, denn die bestehenden Klinik­gebäude werden ja alle wohl abgerissen werden, obwohl viele Millionen an Steuergeldern für Renovierungen etc. geflossen sind bis dahin, das vor wenigen Jahren neben dem Lörracher Kreis­krankenhaus und im Hinblick auf eine enge Zusammenarbeit mit diesem ein millionenschwerer Neu­bau errichtet wurde, in dem eine onkologische Schwerpunktklinik und ein MVZ eingerichtet wurde.

Die Klinik in Schopfheim hat sich u.a. sehr erfolgreich als Zentrum für Diabetesbehandlung profiliert.

Geplant wird nun ein kompletten Neubau für ca. 300 Mio. € mit ca. 650 Betten – aber ohne den Blick über den „Tellerrand“, d.h. die Landkreisgrenze.

Dabei würde es Sinn machen, statt Milllionenwerte zu vernichten, einen gemeinsamen Neubau für die High-End-Medizin für beide Landkreise gemeinsam zu bauen und dabei die bestehenden Kliniken in Lörrach, Schopfheim, Bad Säckingen und Waldshut als Kliniken der Grund- und Regelversorgung sowie für Vor- und Nachsorge zu erhalten, dies alles vereint unter einem organisatorischen Dach und evtl. ergänzt durch MVZs, die auch in den ländlichen Gebieten – z.B. in Schönau und St. Blasien – eine umfassende Versorgung sicherstellen. Die Klinik in Rheinfelden muss evtl. gesondert betrachtet werden, da dort ein großer Renovierungsstau herrscht.

Ein Freund von mir, Dr. med. A. D., ehem. Chefarzt in der Klinik Bad Säckingen, hat dies in einem Papier zusammengefasst, das ich an diesen Brief anhänge.

Problematisch sehe ich einerseits die Struktur der Entscheidungsfindung, denn Landkreisgrenzen sind für die medizinische Versorgung und die Patientenströme erstmal irrelevant, andererseits die Art und Weise, wie der Landkreis öffentliche Gelder ausgeben will (es sind ja nicht die eigenen …) und wie jeder Bürgermeister seine Stadt als Standort profilieren will – es ist schon fast ein „hinterher-hecheln“ hinter den Millionen-Investitionen. Insbesondere im Landkreis und in der Stadt Lörrach  wird dieses Projekt mit maximaler Energie vorangetrieben, obwohl kein Handlungsdruck herrscht und unsere Kliniken schwarze Zahlen schreiben.

Ich würde mir sowohl im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung mit effizientem Einsatz öffentlicher Mittel als auch im Hinblick auf die Langfristigkeit der anstehenden Entscheidungen in Lörrach, die die Zentralisierung im Landkreis Lörrach und das „Ausbluten“ des ländlichen Raumes weiter unterstützen wird, wünschen dass ein „vernünftiger“ Blick von außen – der nicht nur „Kienbaum“ heißen kann und seine Perspektive ausschließlich auf den Landkreis Lörrach richtet – diese Planungen nochmals mit Einbeziehung der Regionen jenseits der Landkreisgrenzen überprüft. (M.E. sollten solche Planungen auch eher von den Regierungspräsidien durchgeführt werden als von den Kreisverwaltungen …)

Die Alternativen sind also:

Neubau von je einem Zentralklinikum in beiden Landkreisen Waldshut (ca. 450 Betten) und Lörrach (ca. 650 Betten) mit jetzig geschätzten Kosten á 200 bis 300 Mio. €, realistisch wohl eher á 300 bis 500 Millionen €, insgesamt also zwei relativ kleine Neubauten, die sich später gegenseitig Konkurrenz machen werden (müssen) und sich unter oder an der betriebswirtschaftlich sinnvollen Mindestgröße bewegen, Abbau der wohnortnahen Infrastruktur, Vernichtung von Millionenwerten, Abbau der Versorgung im ländlichen Raum und Produktion von großen Mengen an Bauschutt

oder

Neubau eines gemeinsamen Zentralklinikums beide Landkreise für die High-Tech-Versorgung (ca. 650 Betten), Erhalt der bestehenden Infrastruktur als Portalkliniken zur wohnortnahen Grund- und Regelversorgung, evtl. behutsame Ergänzung durch MVZs, organisiert in einer gemeinsamen Krankenhausgesellschaft die für jeden Patienten die optimale Versorgung organisieren kann.

Dr. D. und ich haben diese Vorschläge in diversen Foren und Diskussionen eingebracht, sie werden aber weder geprüft noch ernsthaft diskutiert, die Kontakte zwischen beiden Landkreisen sind in dieser Hinsicht minimal.

Ich würde mich freuen, wenn Du Dich dieser Sichtweise anschließen könntest oder sie zumindest von Deinem Ministerium überprüfen würdest. A. D. steht Dir bzw. Deinen Fachleuten sicher gerne zur Verfügung. Hier seine Kontaktdaten:

Mit vielen Grüßen aus Lörrach

Dietmar Ferger

Dazu gab es eine Anlage, in der das Gesamtkonzept von Dr. A. D. zusammengefasst und überzeugend erläutert wurde – dieses Gesamtkonzept wurde an beide Landräte, also Frau Dammann für Lörrach und Herr Kistler für Waldshut – gesendet und war ihnen bekannt.

Das Antwortschreiben von Minister Manne Lucha ist nichtssagend und geht auf die Einwände und Vorschläge nicht ein.

Die jetzige Situation rührt genau daher, dass die damaligen Bedenken nicht ernst genommen wurden. Die jetzige Situation ist gekennzeichnet von einem massiven Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Kliniken und einer Abwanderung entweder in die Schweiz – für Patienten die in der Schweiz arbeiten und eine entsprechende Versicherung haben – oder nach Freiburg. Dazu kommen die massiven Baukosten-Steigerungen, die aber eher vorhersehbar waren. Ob überhaupt und wie lange, und wenn ja zu welchen Kosten, ein Szenario wie vor knapp 10 Jahren in Offenbach vermieden werden kann, steht in den Sternen. Damals wurde ein vor 400 Mio € fertiggestellter Neubau für einen symbolischen € an einen privaten Klinibetreiber verkauft, sehr gut zusammengefasst in diesem Artikel der Frankfurter Neuen Presse.

Fazit: Die jetzige Situation ist hausgemacht und verursacht durch die autistische Ignoranz begründeter Warnungen von unabhängigen Fachleuten.

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