Der kritische Punkt

Vorwort

Für viele Menschen (leider) der Sinn und Zweck ihres Lebens, für andere eine Mangelware, für (fast) jeden von uns ein „Gegenstand“ des täglichen Gebrauchs und Umgangs, ist das Geld für die meisten Menschen trotzdem eine „black box“, etwas, das wir zwar benutzen, wo wir wissen, wie es aussieht, sich anfühlt, aber kaum, wo es herkommt, wo es hingeht, welche Kreisläufe es durchläuft, welche Geschichte es hat …

Geld bekommt einen immer höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft. „Geiz ist geil“ ist ein Schlagwort, das als Motto über den Beginn dieses Jahrhunderts geschrieben werden kann. „Sparen“ wird zum Selbstzweck. Warum? Die Gesellschaft ist so reich wie noch nie, wir haben so viele materielle Werte geschaffen, und doch haben wir kein Geld?

Richtig mit Geld umgehen kann nur derjenige, der versteht, was der ursprüngliche Sinn und Zweck des Geldes ist. Dass es heute viele andere, ihm nicht gemäße Funktionen übernimmt und selbst zur Ware wird, hat in erster Linie etwas damit zu tun dass dieses Verständnis nicht vorhanden ist.

Die Gesellschaft spaltet sich heute immer mehr in zwei Klassen: Geld besitzende und andere, die kein Geld besitzen (Hier ist „besitzen“ wörtlich gemeint, es bedeutet, auf Geld zu sitzen, das nicht für den Konsum benötigt wird). Durch den heutigen Geld- und Zins-Mechanismus bekommen Menschen, die Geld besitzen, immer mehr Geld, das von den anderen, die kein Geld besitzen, erwirtschaftet werden muss – denn Geld ist ja immer der Ausdruck einer Leistung. Der Mehrwert, den die Geld-besitzenden z.B. als Zins oder Miete bekommen, muss von den anderen erwirtschaftet werden, die so eine unter dem Wert ihrer Arbeit liegende Entlohnung erhalten.

Diese Entwicklung ist ein soziales Pulverfass. Politiker und Wirtschaftsführer scheinen unfähig oder unwillig, an dieser Entwicklung etwas zu ändern. Ohne ein Verständnis über das Wesen des Geldes und seine Aufgabe in unserer Gesellschaft wird aber jede Reform zum Scheitern verurteilt sein. Reformen beschränken sich auch immer mehr auf eine Neu- und Umverteilung des Geldes und haben immer weniger inhaltlichen Charakter. Geld bestimmt immer mehr unser Bewusstsein – umso schlimmer ist es dass wir nicht wissen, was Geld eigentlich ist.

Ist es unser Daseinszweck, Geld zu verdienen und wieder auszugeben? Ist das Ziel unseres Lebens, an seinem Ende Geld zu besitzen? Kommunismus und Kapitalismus haben eines gemeinsam: Sie fokussieren den Menschen auf das Geld. Der Kommunismus gibt Jedem das Gleiche und verwässert so die Eigenschaft des Geldes als Gegenwert für eine Ware oder Leistung, der Kapitalismus macht Geld zum Lebenszweck und setzt den Wert eines Menschen mit seinem Besitz an Geld gleich. Inhaltliche, spirituelle und kulturelle Werte haben in beiden Systemen keine Bedeutung mehr. In unserer heutigen Gesellschaft bestimmt Geld unser Dasein, unseren sozialen Status, unseren Wert.

Das vorliegende Heft soll einige Zusammenhänge aufzeigen und den ursprünglichen Charakter und die ursprüngliche Aufgabe des Geldes darstellen, um so ein Bewusstsein zu schaffen, wie neue Ansätze zu einer Geldkultur zwischen Kommunismus und Kapitalismus gefunden werden können.

Dietmar Ferger

Lörrach, im Februar 2004

Einleitung

Der Ursprung des Geldes

Als die Sonne zum Frühjahrsbeginn noch im Zeichen der Zwillinge aufging, erstreckte sich ein fruchtbares und reiches Königreich im Gebiet der Flüsse Euphrat und Tigris. Dieses Land erhielt seine innere Ordnung durch eine wissenschaftlich gebildete, des Rechnens, der Mathematik und der Astronomie kundigen Priesterschaft. Die Tempel waren die Zentren des kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens, dort berechneten die Priester die Saat- und Erntetermine, dorthin brachten die Bauern ihre Erzeugnisse.

Hier liegen die Ursprünge dessen, was wir heute als „Geld“ bezeichnen, als den „neuen Gott“ (Egon Fridell, „Kulturgeschichte der Neuzeit“, München) oder als „Geldungeheuer, das eine Herausforderung an das soziale Bewusstsein der Zeitgenossen ist“ (H.G. Schweppenhäuser, „Das kranke Geld“, Frankfurt 1982)

Vor 5’000 Jahren war das Rechnen mit Geld eine heilige Tätigkeit, die den Priestern vorbehalten war. Die Bauern staunten, wenn sich ihre Erzeugnisse, die sie in den Tempel brachten, unter den Händen der Priester in einen in Zahlen ausdrückbaren Wert verwandelten, für die sie Waren anderer Art erhalten konnten und in dem sie die fälligen Abgaben und Steuern entrichten konnten3.

Gerechnet wurde in Gold- und Silbergewichten, wobei aber das Edelmetall selber nicht in Erscheinung trat. Die Sumerer schufen die Rechnungseinheit „Geld“, nicht aber die Münze, das Geldstück. Gold und Silber lagen wohl verwahrt im Tempelschatz, denn solange der Warentausch im Tempelhof stattfand, brauchte man kein Zahlungsmittel. Es genügte, anhand dieser Werte alle Leistungen vergleichen zu können.

Das Gold war der Sonne, das Silber dem Mond zugeordnet, und so ergab sich aus dem Verhältnis von Sonnenjahr zu Mondmonat das Wertverhältnis von Gold zu Silber als 1 : 13½. Dieses Verhältnis hatte nichts mit dem realen Gebrauchswert der Metalle zu tun. Es beruhte auf die uralte sakrale Zuteilung der Edelmetalle zu den Göttern und Gestirnen.

Das ursprüngliche Wesen des Geldes

Betrachten wir dieses erste Geld“system“ seinem Wesen nach: Aufgebaut war es auf die göttliche Autorität, die durch die Priesterschaft vertreten wurde. Die Priester verfügten als „Eingeweihte“ über die Beurteilungskriterien, nach denen sie z.B. Preise, Steuern und Abgaben festsetzten. Das Geld war Ausdruck der göttlichen Gerechtigkeit, es schützte die einfachen Bauern vor der Willkür der Mächtigen, da Rechte und Pflichten beider Seiten durch die Umrechnung in den Geldwert genau festgelegt werden konnten.

Betrachten wir dieses System unter dem Gesichtspunkt eines dreigegliederten sozialen Organismus (vergl. Kapitel 2), so sehen wir, dass der Wirtschaftsbereich (in unserem Beispiel der Bauer) durch die Abgaben den Bereich des Geisteslebens (den Tempel) und durch seine Steuern den Rechtsbereich (den König) finanzierte, d.h. ihm die materielle Existenz ermöglichte. Die Arbeit des Bauern wurde aber erst ermöglicht durch den Rat und die Fürsorge der Priester – z.B. durch die Errechnung der Saat- und Erntetermine – und die Macht des Königs, der die Sicherheit eines geordneten und geschützten Geldwesens gewährleistete.

Die Geldordnung als Ausdruck des sozialen Bewusstseins

Vergleichen wir mit dieser harmonischen Ordnung, wie sie sich heute das Wirtschaftsleben und das Geldwesen zeigt: Es gibt keine „Eingeweihten“ mehr, deren Autorität eine gerechte und soziale Ordnung gewährleisten kann, sondern er ist eine Ordnung entstanden, die durch den Egoismus und die Machtinteressen des Einzelnen und rivalisierender Gruppen bestimmt ist.

Da eine Analyse der verschiedenen sozialdarwinistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, möchte ich auf die Tageszeitungen verweisen, die täglich Beispiele liefern, wie „krank“ die bestehenden Systeme sind.

Da alle heutigen Systeme auf eine Geldordnung aufgebaut sind, liegt es nahe zu untersuchen, in welchem Maße durch eine soziale Neuordnung des Geldwesens ein Gesundungsprozess der Gesellschaft herbeigeführt werden kann. Das bedeutet nicht, dass eine neue, dem Wesen des Geldes angemessene Geld­ordnung zwangsläufig auch einen gesunden sozialen Organismus hervor bringen würde, denn dieser erfordert auch ein neues Bewusstsein des einzelnen Menschen, aber alle gesellschaftlichen Reformversuche werden an einem unorganischen, sozialdarwinistisch-mechanischen Geldsystem scheitern müssen.

Diese Arbeit versucht darzulegen, wie sich in einem gesunden sozialen Organismus, in einem dem heutigen Bewusstsein der Menschen ent­sprechenden Geldsystem das „Wesen“ des Geldes darstellt.

Über das Wesen des Geldes gibt es viele Theorien – Metallismus, Chartalismus, Dynamismus – auf die aber in dieser Arbeit nicht explizit eingegangen werden kann. Es wird auch nicht eingegangen auf die Funktionsvorgänge im modernen Geldwesen, sondern ausschließlich auf das Funktionsprinzip. Deshalb sind die Darstellungen der modernen Geldfunktionen bewusst kurz und schematisch gehalten.

Das Funktionsprinzip des Geldwesens ist kein unwandelbares, zwangs­läufiges Naturgesetz, sondern im Gegensatz z.B. zu den physikalischen Gesetzen ein „Ergebnis zeitbedingten Denkens und Wollens“2, also ein Ergebnis der bewusstseinmäßigen Durchdringung der sozialen Verhältnisse durch den Menschen. Deshalb ist die Form des Umgangs mit Geld, die Ordnung des Geldwesens, ein Gradmesser der Bewusstseinsentwicklung der menschlichen Gesellschaft.

Soziale Dreigliederung als Grundlage für eine gesunde Geldordnung

Das Wesen der sozialen Dreigliederung

Zum Verständnis der folgenden Gedanken ist es unerlässlich, sich ein Bild des Funktionsprinzips eines gesunden sozialen Organismus zu machen. Es geht hier ebenfalls um das Funktionsprinzip, um die gedankliche Strukturierung und Zuordnung der sozialen Beziehungen und Vorgänge, nicht um ein Gesellschaftsmodell oder eine in dieser Form realisierbare Utopie. So ist diese kurz gefasste Darstellung, der Rudolf Steiners Werk „Die Kernpunkte der sozialen Frage“ zugrunde liegt, als Zielvorstellung für das soziale Bewusstsein der mensch­lichen Gesellschaft aufzufassen, als Gliederung, die zu einem Verständnis des Wesens des sozialen Organismus führen kann.

Christoph Lindenau formuliert in seinem Buch „Soziale Dreigliederung“:

„Die Befriedigung von Bedarf innerhalb einer Gesamtheit von Menschen gelingt umso lebensgemäßer, je mehr Brüderlichkeit unter den beteiligten Menschen praktiziert wird.

Die Vereinbarungen von Rechten und Pflichten innerhalb einer Gesamtheit von Menschen erweisen sich umso tragfähiger, je mehr sie auf die Gleichheit der Partner gegründet ist.

Die Zusammenarbeit innerhalb einer Gesamtheit von Menschen entwickelt sich umso fruchtbarer, je mehr sie aus der Freiheit aller darin tätigen Menschen entspringt.“

Der soziale Organismus besteht aus drei sich gegenseitig beeinflussenden und bedingenden Gliedern. Diese Glieder unterscheiden sich nicht räumlich, sondern nach Funktionen und nach Aufgaben. Diese Aufgaben bedingen ein bestimmtes Wirkungsprinzip, um sie in wesensgemäßer Weise zu erfüllen. Diese Prinzipien kann man nach den Idealen der Französischen Revolution mit Brüderlichkeit (heute vielleicht besser: Solidarität), Gleichheit und Freiheit bezeichnen, die drei Glieder mit den Begriffen Wirtschaftsleben, Rechtsleben und Geistesleben.

Das Wirtschaftsleben

Die Aufgabe des Wirtschaftslebens ist die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse aller Menschen. Seine Aufgabe ist es nicht, durch Kapital­ansammlung Macht auszuüben, Bedürfnisse zu wecken oder die Freiheit des Geisteslebens zu beschneiden. Das Element des Wirtschaftslebens ist das Geld. Durch das Geld nimmt jeder Mensch am Wirtschaftsleben teil. Das Wirtschaftsleben ist der Ausdruck unseres Willens. Um den Willen sozial zu gestalten, bedarf es des Prinzips der Brüderlichkeit (Solidarität), welche die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen akzeptiert (deshalb nicht das Prinzip der Gleichheit) und sich selbst nach den Bedürfnissen der Gesellschaft richtet (deshalb nicht das Prinzip der Freiheit). Die Organe des Wirtschaftslebens wären ökonomische Assoziationen aus Konsumenten, Händlern und Produzenten, in denen die Bedürfnisse der Gesellschaft festgestellt und durch Verträge zwischen Konsumenten, Händlern und Produzenten entsprechende Befriedigungsmöglichkeiten gefunden werden. Das Wirtschaftsleben wird ermöglicht durch das Rechtsleben, das den gesetzlichen und rechtlichen Rahmen schafft und damit Sicherheit gibt, und das Geistesleben, durch das die Menschen zu den Tätigkeiten befähigt werden. Deshalb muss das Wirtschaftsleben sowohl das Rechtsleben durch Steuern und das Geistesleben durch Abgaben finanzieren und deren materielle Existenz gewährleisten.

Das Rechtsleben

Die Aufgabe des Rechtslebens ist die Regelung, Sicherung und Über­wachung der sozialen Beziehungen, der Rechte und Pflichten der Menschen. Seine Aufgabe ist es nicht, aus Machtinteresse in das kulturell-geistige Leben einzugreifen oder materielle Werte zu erwirtschaften. Das Element des Rechtslebens ist die Macht. Durch sein Recht auf ein menschenwürdiges Leben ist jeder Mensch Teil dieses Machtprozesses. Das Rechtsleben ist der Ausdruck unseres Fühlens. Um das Gefühl für die anderen Menschen sozial zu gestalten, bedarf es des Prinzips der Gleichheit, nämlich der Anerkennung, dass jeder Mensch durch sein Menschsein die gleichen Grund-(Menschen-)rechte hat (deshalb nicht das Prinzip der Freiheit oder der Brüderlichkeit). Die zentralen Organe des Rechtslebens wären politisch-administrative Staaten, rechtliche Zusammenschlüsse der einzelnen Menschen, die dem Bewusstsein der Menschen entsprechende Rechte feststellen, Gesetze erlassen und deren Befolgung überwachen. Die Bedürfnisse des Staates und seiner Vertreter müssen durch Steuern vom Gesamtorganismus getragen werden.

Das Geistesleben

Die Aufgabe des Geisteslebens ist die Entwicklung des Menschen. Hier ist das Wort „Entwicklung“ wörtlich zu nehmen, d.h. es soll sich aus jedem Menschen das heraus“wickeln“ können, was in ihm steckt. Seine Aufgabe ist es nicht, Macht auszuüben oder wirtschaftliche Werte zu schaffen, sondern dem Rechts- und Wirtschaftsleben die geistigen Grundlagen für seine Tätigkeit zu geben. Die Elemente des Geisteslebens sind Wahrheit und Erkenntnis im weitesten Sinne des Wortes. Durch sein Lern-, Wahrheits- und Erkenntnisstreben hat jeder Mensch teil am Geistesleben. Das Geistesleben ist der Ausdruck des Denkens. Um das Denken sozial fruchtbar zu machen, bedarf es des Prinzips der Freiheit, das die unterschiedlichen geistigen Möglichkeiten und Voraussetzungen der Menschen anerkennt (deshalb nicht das Prinzip der Gleichheit) und sich nicht der Meinung der Allgemeinheit unterordnet (deshalb nicht das Prinzip der Brüderlichkeit). Die Organe des Geisteslebens wären Korporationen aus Vertretern des Geisteslebens, die den freien Austausch der Erkenntnisse organisatorisch ermöglichen und die aus dem Wirtschaftsleben als Abgaben kommenden Mittel verwalten.

Schematische Darstellung

Bei dem Versuch, diese Vorstellungen in einem Schema nebeneinander zu stellen, muss nochmals betont werden, dass es sich um ein Prinzip, um ein Denk- und Beurteilungsmodell handelt, das zur Schulung der „sozialen Phantasie“ anregen soll, und nicht um eine in dieser Form realisierbare Utopie.

Bereich:WirtschaftslebenRechtslebenGeistesleben
Ausdruck:WollenFühlenDenken
Prinzip:BrüderlichkeitGleichheitFreiheit
Aufgabe:Befriedigung der
materiellen
Bedürfnisse
Regelung der
sozialen
Beziehungen
Entwicklung der
geistigen
Fähigkeiten
Prozess:Produktion
materieller Werte
Überwachung der Einhaltung der
Gesetze
Erarbeitung und
Austausch geistiger Werte
Element:GeldMachtWissen, Wahrheit,
Erkenntnis
Mittel:VertragGesetzDenken
Organ:ökonomische
Assoziationen
politisch-
administrative
Staaten
kulturelle
Korporationen

Wert und Wesen des gesunden Geldes


Der Wert des Geldes und seine Aufgabe

Kommen wir wieder auf den sumerischen Bauern zurück. Im sumerischen Reich gab es noch kein Geld als sichtbare Münze. Das Geld war das Vertrauen des Bauern in die göttliche Lenkung der Gesellschaft, die durch die Autorität des Priesters vertreten wurde, und das Vertrauen in das durch den König geschützte Recht. Heute haben wir ebenfalls kein Geld als realen Metallwert mehr – die Golddeckung der Währungen ist abgeschafft und war ein Überrest aus dem falschen Geldverständnis des Mittelalters, das das Geld als realen Wert und nicht als Zeichen sah – und stehen vor der Frage, worauf der Wert des Geldes heute beruht, da uns keine „göttliche Autorität“ mehr zur Hilfe kommt, wie es bei den Sumerern der Fall wahr. Diese göttliche Autorität müssen wir durch ein soziales Bewusstsein, durch ein Verständnis vom Wesen des Geldes in einem modernen sozialen Organismus, ersetzen.

Geld darf nicht mehr Selbstzweck und Ziel des menschlichen Handelns sein, sondern muss wieder in seiner ursprünglichen Form als Wert- und Vergleichsmaßstab materieller Güter und Dienstleistungen dienen und sein Verteilungs- und Vermittlungsfunktionen zwischen den drei Bereichen des sozialen Organismus wahrnehmen können, so dass eine „menschenwürdige Gesellschaft“5 entstehen kann.

So ist die einzig mögliche Antwort auf die Frage nach dem Wert des Geldes, dass dieser auf dem Vertrauen in die wirtschaftliche Betätigung der Gesellschaft beruht, die sicherstellt, dass es durch konsumierbare Waren oder Dienst­leistungen gedeckt ist, und auf dem Vertrauen, dass diese Gesellschaft durch ein stabiles Rechtssystem gesichert ist.

Betrachten wir die heutigen bestehenden Bankensysteme, die – fast verschwundenen – staatskapitalistischen kommunistischen Zentral­banken­systeme, die privatkapitalistischen Notenbank-Geschäftsbanken­systeme und die islamischen Banken – so sehen wir, dass hier das Wesen und die Aufgabe des Geldes im modernen sozialen Organismus nicht erkannt wird und sich dieser deshalb nicht seinem Wesen nach entwickeln kann.

Das Geld im gesunden sozialen Organismus

Die Formen des gesunden Geldes

Wir haben gesehen, dass das Geld das Element des Wirtschaftslebens ist, von diesem aus aber als materielle Grundlage den gesamten sozialen Organismus durchzieht. Untersuchen wir nun, in welcher Form das Geld sich in den drei Bereichen des sozialen Organismus darstellen muss, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können und eine organische, wesensgemäße Wechselwirkung der drei Bereiche entstehen kann. Entsprechend der drei Bereiche des sozialen Organismus können wir auch drei Formen des Geldes feststellen, die diesen Ansprüchen gerecht werden. Wir wollen Sie Kaufgeld, Leihgeld und Schenkungsgeld nennen und in ihrem Wesen, ihren Funktionen und Aufgaben untersuchen.

Das Kaufgeld

Da Kaufgeld ist die ursprüngliche Form des Geldes. Es ist der Wertmesser für einen materiellen Wert oder eine Dienstleistung, ein Beweis des Vertrauens in die wirtschaftliche Funktion und Stabilität der menschlichen Gemeinschaft. Als Kaufgeld wirkt das Geld in „seinem“ Bereich, im Bereich des Wirtschaftslebens. Nehmen wir zur Verdeutlichung des Wesens des Kaufgeldes das Bild eines Speichers, in dem die gesamte konsumfähige Produktion eines Monats gelagert ist. Alle Menschen erhalten für ihre Arbeit in der Produktion des Inhalts des Speichers – in einem gesunden sozialen Organismus ihren Bedürfnissen entsprechend – Geld = Anrechtsscheine auf einen bestimmten Anteil dieser Produktion – das Kaufgeld. Ist am Ende des Monats der Speicher leer und alles Geld = Anrechtsscheine sind zurückgegeben, so sind die Kaufvorgänge organisch abgelaufen. Kaufgeld ist also wertkonstant.

Das Verhältnis von Kaufgeld zum Rechtsleben

An diesem Bild kann auch die Wirkung des politischen Anspruchs auf die volkswirtschaftliche Produktion verdeutlicht werden, z.B. durch die Militär­produktion. Wir benötigen dazu einen zweiten Speicher für militärische Produkte, da diese nicht konsumfähig und sozial unproduktiv sind (d.h. ihr Fehlen würde den sozialen Organismus nicht tangieren). Aber alle an ihrer Produktion beteiligten Menschen müssen aus dem Konsumgüterspeicher in ihren Konsumbedürfnissen befriedigt werden, die Allgemeinheit muss sie also mittragen.

Ebenso werden von der Allgemeinheit mitgetragen alle Menschen, die im sozialen Organismus den Aufgaben des Rechtslebens dienen: Ordnung, Sicherheit, Justizwesen, Sozialvorsorge, etc. Dies sind Aufgaben, die von allen Mitgliedern des sozialen Organismus als Aufgaben der Allgemeinheit anerkannt und gewollt werden, sie werden durch Gesetze geregelt. Sie müssen deshalb von der Allgemeinheit durch Steuern finanziert werden.

Das Verhältnis von Kaufgeld zum Geistesleben

Auch der Bereich des Geisteslebens (Lehre, Wissenschaft, Forschung) muss aus dem Konsumgüterspeicher in seinen Konsumbedürfnissen befriedigt werden. Festzustellen, wo der Bereich des Rechtslebens aufhört und der Bereich des Geisteslebens beginnt, ist eine Aufgabe des Gesamtorganismus (Recht auf Bildung, Schule, Unterricht etc.). Da sich das gesunde Geistesleben nur nach dem Prinzip der Freiheit entwickelt, kann es auch nicht durch ein auf die Gleichheit der Rechte beruhendes Prinzip finanziert werden. Wie das Kaufgeld in einem organischen Geldkreislauf in den Bereich des Geisteslebens gelangt, wird der Gegenstand der folgenden Untersuchung sein.

Das Leihgeld

Das Leihgeld ermöglicht im gesunden sozialen Organismus die wirtschaft­liche Umwandlung und Nutzbarmachung der Impulse des Geisteslebens. Es ist das Zeichen des Vertrauens des Wirtschaftslebens in den menschlichen Geist. Durch das Leihgeld wird die Produktion von industriellen Konsumgütern in gesunden – arbeitsteiligen – Organismus erst ermöglicht.

Die volkswirtschaftlich günstigste Herstellung der Konsumgüter ist ein Gegenstand allgemeinen Interesses, sie gehört somit in das Rechtsleben, hat ihren Ursprung aber im Bereich des Geisteslebens. Jeder Mensch hat das Recht auf volkswirtschaftlich gesunde, möglichst kostengünstige Befriedigung seiner materiellen Bedürfnisse. Ebenso hat er das Recht auf wirtschaftliche Betätigung, solange er nicht gegen Gesetze verstößt und seine Initiative den Aufgaben des Wirtschaftslebens (Befriedigung der materiellen Bedürfnisse) gerecht wird. Dies zu entscheiden ist eine Aufgabe der Assoziationen, d.h. aller im Wirtschaftsprozess interessierten Menschen. Von diesen Assoziationen wird das Leihgeld geschaffen. Es soll dem Produzenten ermöglichen, seine volkswirtschaftlich wertvollen Ideen zu verwirklichen. Durch die Verträge zwischen Konsumenten, Händlern und Produzenten in der Assoziation entsteht gleichzeitig eine Vorsorge gegen volkswirtschaftlich schädliche Über- oder Fehlproduktionen und praktisch eine Abnahmegarantie für den Produzenten.

Betrachten wir noch einmal das Bild des Konsumgüterspeichers, so wird der Unterschied zwischen Leihgeld und Kaufgeld deutlich: Das Leihgeld dient zur Beschaffung von Produktionsmitteln, die nicht im Konsumgüterspeicher erscheinen, da sie nicht konsumierbar sind. Es ist dadurch vom Kaufgeld­kreis­lauf unabhängig. Da das Leihgeld aber durch den Kauf von Produktionsmitteln teilweise wieder in Kaufgeld verwandelt wird und in den Kaufgeldkreislauf einfließt, entsteht hier ein Missverhältnis. Es ist mehr Kaufgeld als konsum­fähige Ware vorhanden. Dieses Missverhältnis wird dadurch beseitigt, dass das Geld aus der Kreditrückzahlung aus dem Produktionsgewinn an die Assoziationen, das ja durch die produzierten konsumfähigen Produkte gedeckt ist, von der Assoziation wieder aus dem Verkehr gezogen wird. So ist das Gleichgewicht zwischen Kaufgeld und konsumierbarer Ware wieder hergestellt.

Aus dieser Tatsache ergibt sich die Notwendigkeit, bei der Produktion einen Gewinn zu machen, und daraus die Frage, woher dieser Gewinn entsteht und wie er weiter verwendet werden muss. Dies hängt eng mit der Frage des Schenkungsgeldes zusammen, das im folgenden Kapitel diskutiert wird.

Die Bildung von Produktionskapital heute

Zuerst sei ein Blick auf die heutigen Wirtschaftsformen erlaubt um zu sehen, warum die Bildung von Produktionskapital aus anderem als aus Leihgeld sozial ungesund ist. Kapital kann sich z.B. bilden durch Konsumverzicht (Sparen), aus dem Gewinn aus dem Produktionsprozess oder aus Erbschaften. In allen drei Fällen ist der Kapitalinhaber, wenn er sein Geld in Produktionsmittel investiert und Produzent wird, unabhängig von den Assoziationen, er erfährt also nicht, ob sein Produkt volkswirtschaftlich gewünscht wird, und hat keine Abnahmegarantie. Die Bildung von Kapital aus dem Gewinn des Produktionsprozesses ist außerdem deshalb ungesund, weil sie zu einer Akkumulierung von Macht und Kapital führt, die von der Gesellschaft nicht mehr kontrolliert werden kann – hier seien nur die großen multinationalen Konzerne genannt. Auch der Preis­bildungsprozess wird durch diese Art von Kapitalbildung verzerrt. Ähnlich ist es bei der Bildung von Produktionskapital durch die Ausgabe von Aktien.

Das Schenkungsgeld

Kommen wir wieder auf die Frage nach der Entstehung und Verwendung des Schenkungsgeldes zurück. Das Schenkungsgeld dient der Finanzierung des Geisteslebens. Vor 5’000 Jahren wurde im sumerischen Reich der Priester durch den Bauern finanziert, der Bauer erhielt dafür das Wissen über Saat und Erntezeiten, über Techniken etc. Heute ist das Verhältnis von Wirtschafts- und Geistesleben durch Arbeitsteilung und moderne Technik der Industrie­gesellschaft wesentlich komplizierter. Um uns das Wesen des Schenkungs­geldes zu verdeutlichen, muss der industrielle Produktionsprozess analysiert werden.

Der industrielle Produktionsprozess

Zu Beginn des Prozesses steht die Idee eines Produktes bzw. einer Dienst­leistung. In einem gesunden sozialen Organismus wird diese Idee in einer Assoziation von Konsumenten, Händlern und dem Hersteller erörtert und damit gewährleistet, dass für das Produkt ein Bedarf besteht und es damit volks­wirtschaftlich sinnvoll ist. Durch den Staat wird gewährleistet, dass das Produkt und die Produktion nicht gegen Rechte und Gesetze – z.B. den Umweltschutz – verstößt. In der Assoziation findet durch Absprache auch der Preisbildungs­prozess statt. Er berücksichtigt einen Gewinn, der die Rückzahlung des Kredites in angemessener Zeit ermöglicht. Der Produzent erhält den Kredit, Produktions- und Betriebsmittel werden gekauft, Mitarbeiter angestellt … die Produktion beginnt, das Produkt wird verkauft, aus dem Gewinn der Kredit (ohne Zinsen!) zurückgezahlt. Mit dem Ende der Amortisationsphase beginnt.

Der kritische Punkt

Am Übergang von der Amortisations- zur Gewinnphase ist der Punkt, der heute nicht verstanden wird. Hier hat nämlich der Produzent sein eigentliches aus dem Geistesleben stammendes Ziel erreicht, er hat zur Entwicklung und zum Fortschritt der Menschheit beigetragen, indem er die materielle Ver­sorgung mit einem Produkt auf volkswirtschaftlich gesunde Art sichergestellt hat. Mit dem Erreichen dieses Zieles ist er auch seiner ursprünglichen Verantwortung der Assoziation gegenüber enthoben, da er den von ihr erhaltenen Kredit zurückgezahlt hat. Er wird aber, da er sich als fähig erwiesen hat, als Verwalter der nun neutralisierten Produktionsmittel tätig bleiben.

Der Gewinn

Wir haben gesehen, dass zu Beginn des Produktionsprozesses eine Idee stand, ein Ergebnis des Geisteslebens. Die Möglichkeit, dass diese Idee, diese Entwicklung stattfinden konnte, wurde durch Schulen, Universitäten etc. gelegt. Wenn wir auch in der Frage der Verwendung des Gewinnes eine organische Lösung finden wollen, sehen wir, dass der Gewinn ein Ergebnis des menschlichen Denkens ist, das in der Organisation der Arbeit, in der Erfindung der Maschinen etc. seinen Niederschlag gefunden hat. Also muss der Gewinn zur Ermöglichung weiterer geistiger Tätigkeit wieder ins Geistesleben zurückfließen, um von dort als Kaufgeld in den Kaufgeldkreislauf eingespeist zu werden, denn er ist ja durch konsumfähige Ware gedeckt. Die Verwaltung dieses Geldes wäre eine Aufgabe der Korporationen des Geisteslebens.

Die soziale Phantasie

Aus der Wechselwirkung von Preisbildung und Gewinnhöhe ergibt sich ein Spielraum für sozial gestaltende Maßnahmen, die eine menschengemäße Gesellschaft erst ermöglichen. So können z.B. soziale, d.h. bedarfsorientierte Löhne gezahlt, Umweltschutzvorschriften beachtet, Arbeitszeitregelungen menschlich gestaltet werden etc. Durch die Gestaltung der Höhe des Gewinns und der Dauer der Gewinnphase kann den Bedürfnissen des Geisteslebens Rechnung getragen werden. Hier sind der sozialen Phantasie zur Gestaltung einer menschengemäßen Gesellschaft keine Grenzen gesetzt.

Heutige Formen der Wertschöpfung

In der heutigen Gesellschaft ist die hier skizzierte Form eines Produktions­prozesses eine unrealisierbare Utopie. Anonymes, individuelles Eigentum bestimmt unsere Wirtschaft. Einen Schritt in die richtige Richtung sind Stiftungen, die Kapital verwalten, sinnvoll anlegen und den Gewinn einer ihrer Stiftung gemäßen Verwendung im Bereich des Geisteslebens zuführen.