Klinikum Lörrach – die lang vorbereitete Krise

Mein Redebeitrag zur öffentlichen Kreistagssitzung, bei der es um den Auftrag zur Sanierung des Klinikhaushaltes ging.

Sehr geehrte Frau Dammann
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Zuhörer

Als 2017 die Entscheidung zum Bau eines Zentralklinikums ausschließlich von und für den Landkreis Lörrach und seine Bewohner gefällt wurde, war der Weg zu der jetzigen Situation vorgezeichnet. Corona, Energiekrise und Inflation haben ihn nur beschleunigt und steiler gemacht, er wäre früher oder später hier geendet.

Es gab damals fachliche und sachliche Einwände und Warnungen, die sich heute alle bestätigen.

Die Grundkritik war und ist, dass der Einzugsbereich der Kliniken Lörrach zu klein ist. Die Besonderheit des Landkreises Lörrach ist ja seine Grenzlage und seine Lage zwischen den herausragenden Klinikstandorten Basel und Freiburg. Die Kliniken Lörrach können deshalb das Umsatzpotential des Landkreises nie ausschöpfen. Dies zeigt eine einfache Berechnung: Die gesetzlichen Krankenkassen gaben 2021 etwa 85 Milliarden € für reine Krankenhausleistungen aus. Dies sind etwa 1.000 € pro Einwohner, für den Landkreis Lörrach müssten dies etwa 230 Millionen € sein. Dieser Umsatz wurde aber nie und wird augenblicklich nur zu etwas mehr als der Hälfte erreicht. Etwa 50% der Menschen im Landkreis Lörrach nutzen also lieber die Angebote in Basel oder Freiburg. Die Herausforderung ist also, diese 50% dazu zu bringen, ihre Krankenhausleistungen im Zentralklinikum in Lörrach erbringen zu lassen. Dies zu erreichen ist eine Herausforderung, die bewusst eingegangen wurde.

Zum Vergleich: Der Gesundheitsverbund Hegau-Bodensee, also die Kliniken des Landkreises Konstanz mit 290.000 Einwohnern, erzielte 2020 einen Umsatz von 284 Millionen € – er kann das Umsatzpotential in der Bevölkerung also wesentlich besser ausschöpfen als die Kliniken Lörrach.

Der 2017 von diesem Gremium ignorierte Alternativvorschlag sah eine gemeinsame Klinikgesellschaft und einen gemeinsamen Klinikneubau mit dem Landkreis Waldshut vor, um einen Einzugsbereich von Efringen-Kirchen über Schönau und St. Blasien bis Waldshut zu erschließen mit einem Umsatzpotential für Krankenhausleistungen von realistischen 250 Millionen.

Ergänzt sollte dieses Haus werden durch den Erhalt der bestehenden Standorte als Portalkliniken oder Medizinische Versorgungszentren, die die Menschen an die Klinikstrukturen binden, die schwierige ambulante Versorgung verbessern und einen Teil des Umsatzpotentials für ambulante Leistungen erschließen sollten. Dieser Vorschlag hatte schon damals das Ziel, die Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung aufzuheben und entsprach so den Forderungen, die in der von Herrn Lauterbach geplanten Krankenhausstrukturreform umgesetzt werden sollen.

Wie gesagt, dieses Alternativkonzept wurde noch nicht einmal ernsthaft diskutiert, da man in diesem Hause nicht über den Tellerrand der Landkreisgrenze schauen wollte, im Landkreis Waldshut war es leider nicht besser.

Es liegt uns ein Beschlussvorschlag vor, der nur so von positiven Veränderungsvorhaben strotzt. Ja, ich halte Herrn Sartor für einen fähigen Manager, aber auch er kann sich die festangestellten Kräfte nicht backen, die für sein Sanierungsprogramm entscheidend sind, und Gewohnheiten in den Klinikabläufen zu ändern und Bewusstsein für die betriebswirtschaftliche Situation zu schaffen bei Ärzten und Pflegern, die vor allem Menschen helfen wollen, ist ebenfalls nicht einfach. Die Sanierungspläne geben keinerlei Garantie für einen Erfolg, sind aber auf jeden Fall teuer. 10 Millionen sind kurzfristig geplant, die irgendwo eingespart oder als neue Schulden aufgenommen werden müssen. Dies führt zu noch höherer Verschuldung, zu höheren Zinszahlungen, zur Erhöhung der Kreisumlage und zu Sparorgien erfahrungsgemäß vor allem auf Kosten von Kindern, Alten und Hilfebedürftigen.

Ich könnte hier ja optimistisch sein und auf die Leistungsfähigkeit des Landkreises, seiner Unternehmen und seiner Bürger vertrauen. Dies ist aber fragwürdig, vor allem wenn man den einzigartigen Absturz des Landkreises Lörrach beim Prognos Zukunftsatlas betrachtet: 2013 noch auf Platz 50 von 400, waren wir 2022 auf Platz 232 von 400 abgestürzt. Die Presse hat nicht berichtet. Woher sollen wir bei diesen Rahmenbedingungen den unbedingten Optimismus nehmen, dass sich die Wirtschaft im Landkreis glänzend entwickelt, die Unternehmen fleißig Gewerbesteuer zahlen und die Einwohner immer mehr verdienen und der Anteil der Einkommenssteuer bei den Kommunen wächst, so dass wir das aufgehäufte Defizit ohne bleibende Schäden in der Sozialstruktur des Landkreises wieder ausgleichen können?

Ich bedauere es in diesem Zusammenhang sehr, dass es in Baden-Württemberg auf Kreisebene keine Möglichkeit des Bürgerentscheides gibt. Ob die Bürger für einen Lörracher Alleingang beim Bau des Zentralklinikums gestimmt hätten oder für einen gemeinsamen Weg mit dem Landkreis Waldshut, ist zumindest offen.

Fazit: Der Landkreis Lörrach hat sich sehenden Auges in eine Herausforderung manövriert, die nur mit einer riesigen Kraftanstrengung aller Beteiligten zu lösen ist. Gangbare Alternativen als diese Sanierung scheint es bis jetzt nicht zu geben, und so liegt es daran, wie viele Patienten ins Lörracher Klinikum kommen statt nach Basel oder Freiburg zu gehen.

Zum Schluss noch eine Bemerkung: Die 100 Milliarden Sondervermögen für die Ertüchtigung der Bundeswehr wären – gleichmäßig auf die Einwohner verteilt – etwas 300 Millionen € für den Landkreis Lörrach. Damit wären wir die drängenden finanziellen Sorgen los und es könnte für die Bürger wirklicher Mehrwert geschaffen werden. Aber für wirkliche Investitionen in Gesundheit, Bildung oder Kultur hat das politische Berlin wenig übrig.


Frau Dammann fühlte sich bemüßigt, ausgiebig auf meinen Beitrag einzugehen, auch wenn sie ihre Antwort mit den Worten begann: „Eigentlich will ich ja Beiträge nicht kommentieren.“ Sie fand die überschlägigen Berechnungen zum Umsatzpotential für Klinkleistungen „abenteuerlich“ und meinte, dass die Landkreis-Verwaltung ja nicht verantwortlich sei für den Absturz des Landkreises im Prognos Zukunftsatlas (den ich Ihrer Meinung nach bei „jedem Redebeitrag“ anbringen würde – dies war das zweite Mal …). Dass ich niemandem die Schuld für den Absturz gegeben, sondern nur diese Feststellung gemacht habe, hat sie irgendwie nicht mitbekommen.

Zu der damaligen Entscheidung für den „autistischen“ Lörracher Weg ohne die naheliegende Einbeziehung des Landkreises Waldshut machte sie geltend, dass der Landkreis Waldshut damals noch nicht „so weit“ gewesen sei für eine Entscheidung und dass die Lörracher Entscheidung für den Bau des Zentralklinkums eher zu spät als zu früh gekommen sein. Dies bedeutet aber, dass bewusst, aus eigentlich fachfremden Gesichtspunkten – hier der Entscheidungsfähigkeit einer Landkreisverwalltung – eine grundsätzlich bessere Alternative nicht umgesetzt wurde und Fakten mit Kosten von vielen hundert Millionen € geschaffen wurden, die für die nächsten Jahrzehnte die Gesundheitsversorgung und die Finanzen des Landkreises Lörrach bestimmen werden.

Grundsätzich sehe ich es als Ehre an, wenn die Landrätin meint, meinen Redebeitrag so ausführlich kommentieren zu müssen.

2 Antworten auf „Klinikum Lörrach – die lang vorbereitete Krise“

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