Sehr geehrte Frau Dammann
Sehr geehrte Frau Bienroth
Ein Aspekt des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist es, sicherzustellen, dass Siedlungsabfälle, zu denen auch Altpapier und Kartonagen aus privaten Haushalten etc. gehören, entsorgt und darin enthaltene Wertstoffe nach der Abfallhierarchie bestmöglich verwertet werden.
Die sich in unserem Landkreis entwickelnde Situation, dass die Abholung und Verwertung von Papier und Kartonagen aus privaten Haushalten nicht mehr sichergestellt ist, sollte mit diesem Gesetz vermieden werden.
Ich bitte Sie deshalb um Auskunft, wieweit Sie den folgenden Einschätzungen und Schlussfolgerungen folgen und zustimmen können bzw. welche Einwände Sie dagegen erheben:
Ziel des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist es, die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern (§1).
Nach §17 Satz 1 KrWG sind private Haushaltungen verpflichtet, Siedlungsabfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (also dem Landkreis) zu überlassen. Ausnahmen von der Überlassungspflicht gibt es u.a. für gemeinnützige Sammlungen, für gewerbliche Sammlungen nur dann, wenn diesen keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. In jedem Fall muss aber eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gesichert sein.
Nach §20 KrWG haben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (also der Landkreis) die Pflicht zur Beseitigung und bestmöglichen Verwertung der Abfälle aus privaten Haushalten im Sinne der Abfallhierarchie.
Seit 2008 muss der Landkreis seiner Entsorgungs- und Verwertungspflicht für Papier und Kartonage nicht mehr nachkommen, da diese von den Entsorgern Kühl und Remondis im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes durch getrennte Sammlung privatwirtschaftlich erfüllt werden. Allerdings ist diese privatwirtschaftliche Erfüllung der Entsorgungspflicht insoweit grenzwertig, als dass sie evtl. gegen §17 Satz 3.2 KrWG verstößt (eine gewerbliche Sammlung … gefährdet die Stabilität der Gebühren), denn die privaten Entsorger haben in den letzten Jahren durch die Altpapiersammlung wahrscheinlich nicht unerhebliche Gewinne erzielt, die bei einer Sammlung durch den Kreis oder im Auftrag des Kreises auf das Konto der Abfallwirtschaft geflossen wären. Die Abfallgebühren werden in den nächsten Jahren ansteigen, da die vorhandenen Polster aufgebraucht sind – Erlöse aus dem Altpapierverkauf hätten das Polster vergrößert und so die Stabilität der Gebühren erhöht.
Die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushalten und ihre bestmögliche Verwertung ist also eine Pflicht und hoheitliche Aufgabe des Landkreises, die deshalb auch durch kostendeckende Gebühren finanziert werden muss. Es ist m.E. den Bürgerinnen und Bürgern nicht zuzumuten, zusätzlich zu den Gebühren für die Abfallentsorgung noch separat für die Entsorgung von Wertstoffen zu zahlen, durch die private Unternehmen Gewinne erzielen.
Um die rechtliche Situation zusammenzufassen: Die Bürger des Landkreises haben eine Pflicht zur Überlassung ihrer Abfälle an den Landkreis, der Landkreis hat die Pflicht, diese Abfälle bestmöglich zu verwerten, der Bürger hat dies mit kostendeckenden Gebühren zu bezahlen.
Zu Ihren Antworten auf meine Anfrage vom 30. Mai:
Sie schreiben, dass die Erlössituation und Wirtschaftlichkeit der „blauen Tonne“ unbekannt ist und lassen ein Verständnis für die Erhebung von Gebühren erkennen („… und damit die Einführung eines Entgelts für dieses Angebot nachvollziehbar ist.“ ). Letztem kann ich nicht folgen. Dass die Verkaufserlöse für Altpapier und Kartonage schwanken, war beiden Unternehmen bestens bekannt und sollte Bestandteil ihrer kaufmännischen Kalkulation gewesen sein. In den Jahren vor 2008 (als die privatwirtschaftlichen blauen Tonnen eingeführt wurden) waren die Verkaufserlöse durchweg wesentlich niedriger als in der darauf folgenden Dekade. Wenn die privatwirtschaftlichen Entsorger mit den Durchschnittserlösen der Jahre 2000 bis 2008 ein Gewinn kalkuliert haben, konnten sie in den darauffolgenden 10 Jahren einen guten „Puffer“ anlegen um kurzfristige Erlöseinbrüche auszugleichen. Offensichtlich ist dies nicht geschehen bzw. die im letzten Jahrzehnt erzielten Gewinne sollen dafür nicht eingesetzt werden.
Zur bestmöglichen Verwertung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gehört auch eine getrennte Sammlung von Wertstoffen wie Papier und Kartonagen. Ihre Antwort, „Der Bürger entscheidet frei darüber, ob er das nun nicht mehr kostenfreie Angebot nutzt oder sein Altpapier über die öffentlich-rechtlichen Systeme entsorgt.“ ist deshalb insofern nicht richtig, da es kein dem bestmöglichen Verwertungsgebot des Kreislaufwirtschaftsgesetzes entsprechendes Angebot gibt. Papier und Kartonagen zu den Wertstoffhöfen zu bringen, ist vielen Bürgern nicht möglich und auch aus Gesichtspunkten von Umweltschutz und Verhältnismäßigkeit nicht zumutbar.
Es bleibt also das Fazit, dass der Kreis seiner Verpflichtung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht nachkommt.
Dass 2008 kein Unternehmen gefunden werden konnte, das die Altpapiersammlung im Auftrag des Landkreises übernehmen wollte, und dass so die gewerbliche Sammlung (und damit der Verzicht auf über 10 Jahre Erlöse aus dem Altpapierverkauf, die zur Gebührenstabilität beigetragen hätten) der einfachste und bequemste Ausweg war, entbindet den Kreis nicht seiner Pflichten.
Den gewerblichen Entsorgern zu gestatten, für die Erfüllung einer Aufgabe, die eigentlich Pflicht des Landkreises ist, bei den Bürgern abzukassieren um ihre Gewinnmarge zu erhöhen, ist wiederum der einfachste und bequemste, aber auch der für die Bürger teuerste Weg, der zudem m.E. rechtlich fragwürdig ist.
Abgesehen davon sind die Großhandelspreise für gemischtes Altpapier und Kartonagen vom Tiefpunkt im März bis zum Juni um über 500% angestiegen (auch eine Corona-Folge), so dass auch die von beiden Entsorgern angegebene Begründung für eine Gebührenerhebung nichtig ist.
Ich bitte Sie deshalb, mit beiden Entsorgungsunternehmen entsprechende Gespräche zu führen und sie davon zu überzeugen, von einer Gebührenerhebung abzusehen und die Abholung und Verwertung umfassend und kulant wie bisher durchzuführen. Dies ist dringend, denn die wild abgestellten und inzwischen nicht mehr mitgenommenen Kartonberge bei der Abholung der „blauen Tonne“ sind eine Gefährdung für die Umwelt und belasten die Städte und Gemeinden, deren Mitarbeiter dem „blaue Tonne“-Müllfahrzeug hinterherräumen müssen. Hier mit Restriktionen und Strafen zu drohen, ist aus den dargelegten Gründen nicht angebracht.
Mittelfristig sollte eine Altpapiersammlung im Auftrag des Kreises oder, wenn es dafür keine Dienstleister gibt, durch eigene Fahrzeuge und eigenes Personal aufgebaut werden, so dass die Pflichten des Landkreises im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bestmöglich erfüllt werden können. Wenn dann Verkaufserlöse die Abfallgebühren entlasten, ist dies ein nützlicher Nebeneffekt.
Antwort
Sehr geehrter Herr Ferger
mit Ihrem Schreiben vom 15.07.2020 wenden Sie sich erneut an die Verwaltung mit Fragen zur privatwirtschaftlichen Blauen Tonne. Da Frau Dr. Bienroth mit ihrer Mail vom 15.06.2020 bereits ausführlich auf die meisten Aspekte Ihrer Fragen eingegangen ist, möchte ich nur noch kurz antworten und Wiederholungen vermeiden.
Der Landkreis Lörrach erfüllt seine Verpflichtung zur Beseitigung und bestmöglichen Verwertung der PPK-Abfälle mit den im Abfallwirtschaftskonzept durch den Kreistag beschlossenen Vereinssammlungen und die Annahme auf den Recyclinghöfen.
Der Landkreis hat trotz deutlich zurück gegangener Mengen auch nach der Einführung der privatwirtschaftlichen Blauen Tonnen seine PPK-Erfassung aufrecht erhalten und ist damit lückenlos seiner Entsorgungspflicht nachgekommen.
Außerdem hat der Landkreis 2008 gerichtlich versucht, diese zu verhindern. Die Rechtsprechung räumt hier privatwirtschaftlichen Aktivitäten aufgrund des Wortlauts im Kreislaufwirtschaftsgesetz einen großen Spielraum ein.
Die Preise für PPK haben sich nur vorübergehend erholt und sind seit Juni wieder deutlich gesunken.
Ich weise die Aussage, dass der Landkreis bei der PPK-Erfassung den einfachsten und bequemsten Weg gewählt hat, entschieden zurück. Es war eine politische Entscheidung, die historisch gewachsenen und für die Vereinsarbeit sehr wichtigen Papiersammlungen nicht durch eine Blaue Tonne zu zerstören. Diese Zielsetzung hat vor der Einführung der privaten Blauen Tonnen entsprechende Maßnahmen der Abfallwirtschaft verhindert. Die Annahme, dass die Koordination und Terminabsprache mit über 100 Vereinen im Landkreis Lörrach der bequemste und einfachste Weg ist, kann ich nicht bestätigen – es wäre wesentlich einfacher, über einen Vertrag mit einem Dienstleister die Leistung zu organisieren.
Die Abfallwirtschaft hat nach einem sehr zeitintensiven und auch kontroversen Prozess der politischen Meinungsbildung 2014 versucht, eine Blaue Tonne einzuführen, da zu diesem Zeitpunkt die Vereine bereits drastische Rückgänge bei den Mengen hinnehmen mussten. Auch hier wurden bis hin zur Verpflichtung eines externen Beraters keine Kosten und keine Mühen gescheut, eine Änderung herbei zu führen.
Es ist wirtschaftlich nicht zu vertreten, für nur eine Abfall-Fraktion die erforderliche Infrastruktur aufzubauen (Personal, Fahrzeuge, Betriebshof..). Eine entsprechende Untersuchung dieser Option wäre mit einem sehr hohen Aufwand verbunden und sollte auch im Sinn des Gebührenzahlers nur erstellt werden, wenn eine Aussicht auf ein weiterführendes Ergebnis besteht. Es sind auch überwiegend Städte, die die Abfallentsorgung mit eigenem Fuhrpark betreiben und dort in der Regel in Verbindung mit der Stadtreinigung, die dann noch zusätzliche Synergien bietet (Bsp. ASF).
Ansonsten weise ich nochmals darauf hin, dass es sich um eine rein privatwirtschaftliche Angelegenheit mit privaten Rechtsbeziehungen zwischen Nutzer und Unternehmen handelt. Der Landkreis hat keinerlei Handhabe, auf diese einzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Marion Dammann
2 Antworten auf „Anfrage Papier- und Kartonagesammlung (Blaue Tonne) im Landkreis Lörrach / Kreislaufwirtschaftsgesetz / Antwort“